Seit Baby da ist nur noch Streit – Paarkonflikte als junge Eltern

„Seit Baby da ist nur noch Streit!“ –

In diesem Blogartikel geht es um ein richtig heißes Eisen: Paarprobleme.

Als Psychologin und Psychotherapeutin habe ich viele Paare beraten, die Schwierigkeiten hatten.

Ich habe nicht ein Paar erlebt, dass die Zeit mit einem kleinen Baby vollkommen unberührt überstanden hat. Es ist eine Zeit voller neuer Erlebnisse und Grenzerfahrungen und damit auch eine massive Belastungsprobe für die Beziehung.

Nicht umsonst ist die Scheidungsrate ein Jahr nach der Geburt eines Kindes am höchsten.

Dies bedeutet aber umso mehr, dass man besonders pfleglich mit der Paarbeziehung umgehen muss, damit sie nicht mehr Risse bekommt, als sie aushalten kann.

Aus zwei mach drei – Streit vorprogrammiert

Dazu müssen wir uns erst einmal anschauen, was eigentlich passiert. Psychologisch gesprochen entwickelt sich eine Dyade (Zweierbeziehung) zu einer Triade (Dreierbeziehung). Das bedeutet: die Aufmerksamkeit und Zuwendung wird plötzlich durch zwei geteilt, und nicht mehr nur an einen vergeben. Zusätzlich wird die vermehrte Belastung nicht geteilt, sondern exklusiv an einen Teil (den Partner, nicht das Baby) weitergegeben.

Hui! Weniger Aufmerksamkeit. Keine Exklusivität mehr. Fast schon eine „Entthronung“.

Meistens leiden Männer noch mehr darunter als Frauen, da Frauen ja meist (insbesondere durch das Stillen und die Zeit des Mutterschutzes) viel mehr Zeit mit dem Baby verbringen und eine engere Bindung haben bzw. entwickeln.

Die Geburt des Babys ist eine Kränkung

Hier spricht man psychologisch auch von einer großen „Kränkung“.

Auch wenn der Partner das Kind liebt, so kann es doch zu einer großen Eifersucht und Frustration kommen.

Hier ein Beispiel:

  • Die Partnerin verbringt auf einmal viel mehr Zeit mit einem anderen Menschen.
  • Sie hört mir nicht mehr richtig zu und schenkt mir nicht mehr so viel Aufmerksamkeit.
  • Im Bett liegt ein Mensch zwischen uns.

„Klar,“ mögen einige sagen, „das ist doch logisch! Das weiß man doch!“ Und das ist auch richtig. Dennoch bleibt ein Unterschied zwischen dem Wissen darum und der Erfahrung damit.

Die Beziehung pflegen: Drei psychologische Wege

Es gibt natürlich noch mehr Gründe für Paarkonflikte.

In diesem Artikel soll es nun um diese Kränkung gehen, die oft eine wichtige Rolle spielt.

Wie kann man einen gemeinsamen Umgang damit finden? Was kann man tun, wenn es seit Baby da ist nur noch Streit gibt?

Drei Möglichkeiten sind aus psychologischer Sicht empfehlenswert:

  • Ein Beziehungsjournal schreiben
  • Gemeinsame Aktivitäten durchführen
  • Einen liebevollen Umgang miteinander pflegen

Streit bewältigen durch ein Beziehungstagebuch

Diese therapeutische Übung ist ein „Klassiker“. Viele haben schon davon gehört. Es gibt kaum eine bessere Übung, als in seiner Beziehung am Ball zu bleiben. Gerade dann, wenn seit Baby da ist nur noch Streit ist.

Langfristig empfiehlt es sich, einen festen Termin in der Woche einzurichten, wo das Tagebuch gemeinsam geführt und besprochen wird.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Tagebuch zu führen.

  • Wer einen Zugang zu solch einem Medium hat, der kann es ganz „frei“ führen. Ob Wünsche oder Anliegen, Ärger, Überforderung oder Frust darin vermerkt werden, ist dann ganz dir überlassen.
  • Der Vorteil dabei ist, dass aktuelle Themen immer einen exklusiven Platz finden.
  • Der Nachteil ist, dass es eventuell dabeibleibt, sich „auszumeckern“, ohne das Handlungskonsequenzen oder ein weiteres Gespräch darüber folgen.

Beziehungs-Journal: Direkt umsetzen!

Eine angeleitete Version für ein Beziehungsjournal findest du im E-Book „Liebst du mich noch?“ aus der erfolgreichen DIY-Psychologie-Reihe.

In diesem E-Book kannst du deine Beziehung anhand der „Vier Säulen einer glücklichen Partnerschaft“ stärken. Natürlich darf dabei das Beziehungstagebuch nicht fehlen!

So gibt es weniger Streit: mehr Zweisamkeit

Die erste „Datenight“ nach der Geburt wird oft immer wieder weiter in die Zukunft geschoben. Irgendwas ist immer wichtiger. Das ist ein großer Fehler!

Mit einem Säugling sind solche „exklusiven Veranstaltungen“ oft quasi unmöglich, aber kleine Aktivitäten sollten trotzdem gemeinsam durchgeführt werden.

  • Damit meine ich nicht das gemeinsame Einkaufen mit Kind im Kinderwagen. Und auch nicht der verzweifelte Versuch in einem Café einen Kaffee zu trinken, während das Kind nach Aufmerksamkeit schreit.
  • Damit meine ich die Zeit, in denen das Kind schläft und wo ihr beide wach seid. Das werden nicht viele Momente sein. Aber es ist die einzige Zeit, die es gerade als Dyade gibt.

Natürlich kann man fernsehen, zu viel anderem reicht die Kraft vielleicht gar nicht. Aber vielleicht kann man auch zusammen in Ruhe noch einmal etwas essen, gemeinsam Fotos betrachten oder sich einfach mal unterhalten (ohne Ablenkung) – und zwar am besten nicht über das Kind!

Vielleicht findest du dich in dieser Aussage einer Patientin wieder: 

„Ich wollte nie eines dieser Paare sein, die sich selbst in der ersten Zeit mit Kind verlieren. Und doch war es so, dass es sich schnell sehr ungünstig eingeschlichen hat. Unsere Tochter war ein High Needs Baby aber davon abgesehen hätte es wahrscheinlich auch ein ruhigeres Baby gereicht, um viele wichtige Paardinge zu vergessen.“

Umso wichtiger sind die kleinen Oasen der Zweisamkeit, und seien sie noch so „unromantisch“.

Streit vorbeugen mit professioneller Unterstützung

Am besten generiert ihr gemeinsam ein paar Ideen, die ihr sammelt und aufschreibt. Wichtig ist sich daran zu erinnern, dass es sich wirklich um (vermeintliche) Kleinigkeiten handeln soll!

Wer mehr Impulse haben möchte, findet diese im E-Book Liebst du mich noch? – 5 wirksame Tools aus der Paartherapie für die erste Zeit mit Baby.

Weniger Streit durch liebevolle Worte

Einen liebevollen Umgang miteinander zu bewahren ist in einer Extremsituation (wie der einer jungen Familie) wirklich nicht einfach.

Schnell schiebt man sich Aufgaben zu, ist unzufrieden, dass der Partner nicht genug oder zu viel macht oder redet nur noch über organisatorische Dinge oder das Kind.

Das was vorher normal war – eine Liebesbekundung, eine kleine Aufmerksamkeit, Zärtlichkeiten und Sexualität, eine liebevolle Whatsapp oder eine Überraschung – all das fällt plötzlich der neuen, größeren Aufgabe zum Opfer.

Die Folge: Einiges von dem, was man an der Partnerschaft schätzte, ist verschwunden. Und damit ändert sich häufig der Ton.

Sich im Streit nicht überbieten

Manche Paare beginnen, sich zu förmlich zu „überbieten“, wenn jemand von seinem Stress berichtete. Und dabei wird der Partner, egal welcher, mitunter in seinem Leid und seiner Belastung ganz alleine gelassen und nicht wahrgenommen.

Hier ein Beispiel: 

„Ich hatte heute einen so stressigen Arbeitstag, ich wünsche mir nur Ruhe.“ –

„Ich hätte gerne in einem Büro gesessen, dann hätte ich nicht den ganzen Tag keine fünf Minuten für mich gehabt.“ –

„Ja, du konntest ja schön zu Hause sitzen! Ich musste mich mit den Chefs rumschlagen und die Präsentation führen.“ –

„Du hast wenigstens eine kognitive Tätigkeit, ich komme gar nicht vor die Tür“…

Es geht hier nicht darum, wer mehr Leid erlebt. Es geht auch nicht darum, wer es schwerer hat. Beide haben es schwer. Nur anders. Beide sollten sich unterstützen, nicht ausbooten.

Darum möchte ich jeden ermutigen, die Konversation zum Partner auf den Prüfstand zu stellen. Das kann im Beziehungsjournal geschehen, aber auch ganz für sich.

Den Partner in seinen Gefühlen wahrnehmen

Manchmal wirkt es Wunder, einfach zuzuhören und auf das Gehörte empathisch zu reagieren.

Hier ein Beispiel: 

„Ich hatte heute einen so stressigen Arbeitstag, ich wünsche mir nur Ruhe.“ –

„Was war denn los?“ –

„Ich musste mich mit den Chefs rumschlagen und eine Präsentation führen.“ – „

Oh Mist, und das nach der Nacht gestern wo wir kaum ein Auge zugemacht haben.“ –

„Ja, das war echt hart. Ich kann nicht mehr… Und dein Tag?“ –

„Ich hatte heute den ganzen Tag keine Minute für mich. Gebrüll, das dauernde Stillen, habe es kaum ausgehalten. Hat auch nur auf mir drauf geschlafen, konnte nichts machen.“ –

„Man ey, das ist echt viel gerade. Ich bin echt beeindruckt, wie du das schaffst.“

Dieses plakative Beispiel soll nur verdeutlichen, wie es funktioniert. Auf den anderen Einzugehen, auch wenn man sonst nichts anzubieten hat, und Verständnis zeigen.

Liebevolles Miteinander statt Streit um´s Baby

Ohne einen „Startschuss“ und dem Wunsch, etwas zu verändern, entwickeln sich oft sehr ungünstige Muster.

Die meisten Menschen wissen nicht, wie oft Paarberatungen in Anspruch genommen werden. Auch ein Blick auf den Selbsthilfe-Markt zeigt: Es geht vielen Menschen so.

Es ist also noch lange nicht der Zeitpunkt gekommen, die Paarbeziehung abzuschreiben. Es muss jetzt allerdings ein wenig der Fokus darauf gelenkt werden. Dann kann die Beziehung gestärkt aus dieser schwierigen Zeit hervorgehen.