Stimmungsschwankung nach Geburt: Party der Gefühle

Die Schwangerschaft ist ein einziges Fest der Hormone. Und die Zeit nach der Geburt ist ein einziger Hormonsturm voller sehr hohen Höhen und sehr tiefen Tiefen. In den ersten Wochen sorgen die Hormone meist noch dafür, dass sich gut um das Baby gekümmert werden kann: Liebe, Energie, Toleranz regieren den Körper.

Dann erfolgt der Abfall des Hormonspiegels: Absturz. Das kann sich auf alle möglichen psychischen Prozesse auswirken.

Die Stimmung kann bis zur Depression schwanken

Viele Frauen erleben dann plötzliche Veränderungen ihres Gefühlslebens, manche rutschen sogar ganz in eine Depression ab. Weil das so häufig ist, gibt es sogar einen eigenen Begriff dafür: Postpartale Depression (Nachgeburtliche Depression). Diese ist häufiger als angenommen und erfordert dringend professionelle Hilfe.

So massiv muss es natürlich nicht kommen, aber sollte der Eindruck entstehen, dass es in diese Richtung geht, besteht dringender Handlungsbedarf. Hier gibt es eigentlich nur einen richtigen Weg, und das ist der zur Ärztin und Psychotherapeutin.

Hormone sorgen für Stimmungsschwankungen

In manchen Fällen äußerte sich der Hormonabfall in einer unerträglichen Gereiztheit, Übersensibilität und starken Stimmungsschwankungen. Es kann plötzlich so viele Gefühle geben, dass man selber nicht mehr genau weiß, was man damit anstellen sollte.

Plötzlich fängt man an zu weinen oder meckerte seinen Partner aus heiterem Himmel an, um kurz danach kleine Momente des ewig seligen Glückes zu verspüren, wenn man seiner Tochter über das Köpfchen streicht.

Erst später begreifen viele den Zusammenhang von Hormonen und Stimmung. Der Körper möchte zurück auf das „normale“ Ausgangsmaß, und muss dabei von einem absoluten Höchststand aus zurückregeln.

Das gelingt natürlich nicht reibungslos.

Stell dir vor, du hast 10 Monate lang 5000 Euro zum Leben gehabt, und jetzt hast du plötzlich noch 500 Euro. Da muss man sich auch erst einmal daran gewöhnen, dass der Lebensstil angepasst werden muss.

Starke Gefühle nach der Geburt – Was kann ich tun?

Für dieses Problem der Stimmungsschwankung nach Geburt habe ich Übungen aus der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen ausgesucht. Dieses Patientenklientel hat die größten Schwierigkeiten dadurch, dass es zu viele, zu starke und zu wechselhafte Emotionen gibt. Das passte perfekt zu dem Status, in dem ich mich gerade sah.

Dafür war erst einmal eines wichtig: man muss lernen, seine Gefühle besser wahrzunehmen und zu analysieren um dann eine Handlung folgen zu lassen. Also nach dem Muster:

  • erst Gefühle wahrnehmen
  • dann Gefühle annehmen
  • anschließend Gefühle prüfen
  • und Handlung wählen.

Ein Muster für den Umgang mit Stimmungsschwankungen

Gefühle wahrnehmen

Als ersten Schritt gilt es, die Gefühle wahrzunehmen. Woran erkenne ich das Gefühl? Welche Emotion ist es? Es erscheint erst einmal trivial für manche, viele Menschen haben damit doch Schwierigkeiten.

Gefühle annehmen

Danach ist es wichtig, das Gefühl anzunehmen und nicht direkt wegzuschieben oder es zumindest zu versuchen. Ok, ich habe jetzt dieses Gefühl. Ganz konkret: „Ich bin jetzt traurig.“

Gefühle prüfen

Danach sollte ich das Gefühl prüfen, also ob es zu der Situation gerade passt. Liegt mein Kind selig schlummernd in meinem Arm, passt „Traurigkeit“ vielleicht gerade nicht. Womit steht das Gefühl also eigentlich in Zusammenhang? Ist es jetzt der Zeitpunkt, mich damit zu beschäftigen?

Handlung wählen

Sollte ich zu dem Schluss gekommen sein, dass mein Gefühl in der Situation passend ist, kann ich es ausdrücken. Sollte es nicht passen, sollte ich entgegengesetzt handeln oder denken.

Gefühle stabilisieren mit System

Hierzu wieder das oben genannte Beispiel:

Mein Kind liegt in meinem Arm, und ich bin traurig. Statt zu weinen und mich zusammenzukauern, mich in traurige Gedankenschleifen zu bewegen und in der Position zu verharren sollte ich jetzt also etwas anderes tun, was nicht meinem Impuls entspricht.

Dies wäre vielleicht es anzulächeln, den Rücken gerade machen, mit ihm durch die Wohnung spazieren, ein Lied summen und mir gedanklich klar machen, welch ein Wunder ich vor mir habe. „Es ist ein gesundes Baby. Es schläft gerade und gibt mir Zeit, mit mir selber zu sein. Es hat so eine süße Stupsnase…“.

Dadurch kann das Gefühl nicht die Fahrt aufnehmen, die es sonst bekommen würde. Ich stoppe sozusagen die Intensität und erhalte so viel länger die Kontrolle über die Situation.

Schwankende Stimmung durch Achtsamkeit beruhigen

Bei dem Umgang mit Gefühlen allgemein und Stimmungsschwankung nach Geburt hat sich eine achtsame Grundhaltung und viele Methoden des Achtsamkeitstrainings bewährt.

Als Psychologin und Psychotherapeutin liebe ich die Achtsamkeit und Ihre heilsame Wirkung. Dennoch ist es genauso wichtig, seinen vielfältigen, starken und verwirrenden Gefühlen in der Zeit der Hormonumstellung ihren Raum zu geben. Einmal richtig ausweinen. Verzweifelt und enttäuscht sein. Traurig und wütend.

Gefühle haben alle ihre Berechtigung. Und für Gefühle kann man nichts. Man kann aber etwas dafür, wie man mit ihnen umgeht. Also idealerweise können die Gefühle wahrgenommen und angenommen werden, und dann einen geeigneten Umgang damit gefunden werden- und das erfordert auch wieder Übung, die sich aber lohnt!