Traumatische Geburt verarbeiten – Traum oder Trauma?

Traumatische Geburt verarbeiten – das ist eine große Aufgabe. Es gibt auf der Welt kaum ein massiveres Erlebnis als eine Geburt. Ein neuer Mensch wurde auf die Welt gebracht. Das ist doch unglaublich. Aus einer Frau wird eine Mutter, aus einem Paar wird eine Dreierbeziehung, der Körper hat die höchsten Leistungen gebracht- all dies gipfelt in dem Moment, in dem ein kleines Wesen seinen ersten Atemzug macht.

Bei all dem Wunder und all dem Staunen ist es aber auch ein Erlebnis, das Spuren hinterlässt und nicht von jeder Frau (ich vermute sogar von den wenigsten) als super positiv erlebt wird. So viele Schattenseiten (auf die wir noch zu sprechen kommen werden), von denen man vorher nur eine Ahnung haben konnte. Manchmal handelt es sich gar um ein Trauma, was ohne professionelle Hilfe nicht überwunden werden kann.

Die Natur hat allerdings einen wunderbaren Kniff parat, um dafür zu sorgen, dass frau nicht nach einem Kind mit diesem elementar wichtigen Ereignis fertig ist- und das ist die Erinnerung.

Erinnerung an die Geburt

Erinnerst du dich an deine Geburt? Natürlich wird das so sein. Aber auch an die Schmerzen? Wie sie sich angefühlt haben? Kannst du das gefühlsmäßig wiedererleben?

Die Antwort lautet: NEIN.

Man kann sich erinnern wie man im Bett hockt, wie man sich gekrümmt hat vor Schmerzen, wie einem der Partner auf den Keks gegangen ist, was die Hebamme gesagt hat oder wie der Raum aussah. Aber an die Schmerzen an sich kann sich niemand erinnern. Und das gilt gleichermaßen für das letzte Mal, als man sich in den Finger geschnitten hat als auch für die Geburt.

Hinzu kommt etwas anderes sehr Interessantes: die Zeit.

Mit steigender Zeit erscheint alles gar nicht mehr so schlimm. Würde sonst jemand ein zweites Kind bekommen?

Das ist bei einer traumatischen Geburt wichtig

Zwei Punkte möchte ich herausgreifen:

  • Der tatsächliche Ablauf der Geburt ist nicht so wichtig wie die Bewertung der Situation.
  • Die Geschichten die wir erzählen werden die Wahrheit.

Vorab möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen, dass es wirklich traumatische Geburtserfahrungen gibt, die psychologisch Behandlungsbedürftig sind. In diesem Falle solltest du dir unbedingt Hilfe suchen.

Es geht nicht darum, ob es von außen betrachtet eine traumatische Geburt war

Die Geburt meiner Tochter ist im Vergleich zu vielen anderen Geschichten, die ich gehört habe, wie ein Spaziergang. Aber selbst das ist ja schon eine Bewertung. Im Prinzip ist es egal, was eine Frau erlebt hat, es gibt immer noch eine schlimmere Geschichte. Und darauf kommt es auch gar nicht an. Es kommt auf das Erleben der Situation an.

Nehmen wir hierzu Ergebnisse aus der Forschung zu Hilfe, in denen es um andere massive Lebensereignisse geht. Es gibt viele Studien die besagen, dass das Ausmaß einer Katastrophe nicht unbedingt einen Einfluss auf die Entwicklung von zum Beispiel Posttraumatischen Belastungsstörungen hat. Es gilt also nicht: je schlimmer, desto häufiger. Es kommt auf den Menschen an, der die Situation erlebt.

Dein persönliches Erleben der Geburt zählt

Ich erzähle die Geschichte von der Geburt meiner Tochter gerne, und ich höre gerne diese Geschichten.

Bis heute bin ich nicht dazu in der Lage, die Stundenzahl meiner Wehen anzugeben. Wo fange ich an zu zählen? Bei der ersten Wehe zu Hause? Dann komme ich auf 18 Stunden. Bei den Presswehen am Schluss, wo die Hebamme dann wirklich in Alarmbereitschaft war? Dann sind es zwei.

Ein gutes Beispiel dafür, dass es auch beim Erzählen darum geht, in dem anderen etwas auszulösen.

Worauf ich jetzt hinaus möchte ist, dass zwei Stunden Wehen ebenso schrecklich erlebt werden können wie 18. Dass eine „komplikationslose“ Geburt genauso traumatisierend sein kann wie ein Notkaiserschnitt.

Alle Gefühle zur Geburt haben ihre Berechtigung

Und diese Gefühle kommen manchmal direkt danach, aber nicht selten auch erst Wochen später wieder an die Oberfläche. Manche Frauen berichten von regelrechten Flashbacks. Dies ist schon allein deshalb nicht verwunderlich, da es zu Beginn gar keine Zeit gibt, das Erlebte zu verarbeiten. Nach einer Operation ist man vielleicht mehrere Wochen krankgeschrieben. Nach einer Geburt, manchmal mit größeren Verletzungen, muss man direkt 24-Stunden-Schichten schieben.

Dies hat mitunter zur Folge, dass das Erlebnis der Geburt gar nicht richtig in die eigene Biographie abgespeichert werden kann. Das ist auch nicht zwingend nötig. Gerade bei negativen Erlebnissen bahnen diese Gefühle sich dann jedoch auf andere Art und Weise ihren Weg.

Gerade wenn die Geburt erst kurz zurück liegt, sind noch viele Erinnerungen wach und lebendig. Die Schmerzen können sich besser vorgestellt werden und die Szene ist noch sehr präsent. Wer, positiv wie negativ, das Erlebnis konservieren möchte, sollte es direkt notieren. Unter der neuen Lebensaufgabe verschwinden Details meist schnell.

In vielen Fällen sorgt die Zeit dann dafür, dass sich die Geschichte der Geburt verändert, meist sogar positiv. Das ist ganz natürlich und auch gut so- sonst würden wahrscheinlich viel mehr Einzelkinder existieren.

Psychologische Wege, die (traumatische) Geburt zu verarbeiten

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Hier kannst du dann alle Übungen durchführen, die du in diesem Blog zum Thema „Das erste Jahr mit Kind“ findest.

Schaffe dir einen Ort für deine Geschichte

Schreibe deine Geburtsgeschichte auf, so wie du sie erinnerst, detailreich und ungeschönt und nicht dramatisiert. Nicht chronologisch oder sortiert, sondern alle Gedanken, Gefühle und Tatsachen, die dir wichtig und unwichtig erscheinen.

Dadurch, dass die Geschichte geschrieben wird, erlebst du sie noch einmal und bannst sie auf Papier. Dadurch kannst du, wenn du dich einmal nicht erinnern möchtest, einfach den Deckel des Journals zu machen und auch gedanklich kurz damit abschließen.