Nur noch Eltern kein Paar mehr

Nur noch Eltern kein Paar mehr – Schnell schleichen sich ungute Muster in eine Beziehung ein.

Wer nach der anstrengenden Zeit mit Baby noch immer als Paar zusammen ist, dem möchte ich an dieser Stelle einmal herzlich gratulieren. Wer sogar noch miteinander redet und sich liebt, der verdient einen Orden.

Als Psychologin und Psychotherapeutin höre ich oft von Problemen in der Paarbeziehung.

In diesem Artikel gibt es Tipps und Hinweise aus der Praxis.

Im Hamsterrad der Pflichten

Neue Rollen haben sich entwickelt – aus der Frau ist eine Mutter geworden, aus dem Mann ein Vater. Neue Seiten wurden durch die Belastungen und Umstellungen sichtbar.

Zu schnell gerät man in ein Hamsterrad von Alltag, Pflichten und Aufgaben. Darunter leidet eine Paarbeziehung schnell.

Eine Klientin berichtete mir:

Wo ich mir vorher Zeit genommen hatte, meinen Partner nach seinem Tag zu fragen, drücke ich ihm jetzt schnell das Kind in die Hand und renne zum Sport. Wenn vorher Zeit für Zweisamkeit oder Sexualität war ist jetzt Schlafen angesagt. Wo vorher interessante Aktivitäten geplant waren, wird jetzt auf dem Spielplatz gesessen (oder hinter dem Kind hergerannt).

All das geht natürlich auf Kosten der Beziehung. Wem es gelungen ist, sich Oasen für die Partnerzeit zu schaffen, der hat alles richtig gemacht. Die meisten aber werden erst dann, wenn das Baby größer ist, wieder einen Sinn für die Partnerschaft haben.

Gemeinsame Zeit als Paar nicht vernachlässigen

Dies berichtete mir eine Klientin, als ich sie nach der gemeinsamen Zeit als Paar und nicht als Eltern fragte:

Ich habe viel Zeit verstreichen lassen, bis es zu dem ersten Abend kam, an dem mein Partner und ich ohne unseren Sohn einen Abend verbrachten. Ich schaute dauernd auf mein Handy. Ich war in Gedanken ganz bei meinem Sohn. Erst zu fortgeschrittener Stunde wurde mir klar, was eigentlich passierte. Wir waren wieder ein Paar. Wie saßen zusammen mit einem Glas Wein in einem Restaurant. Wir hatten Zeit für uns.

An diesem Abend haben wir uns kaum unterhalten. Wir haben die Ruhe genossen und die Gesellschaft von erwachsenen Menschen, die weder wussten, dass wir ein Kind haben noch von denen wir etwas über ihre persönlichen Hintergründe wussten. Wir erzählten von Reisen oder Interessen. Es ging nicht um Kita, Windeln, Schlafen oder ob das Kind schon laufen kann. Es ging um uns.

Kritische Phase als Chance für die Partnerschaft

Diese Phase in der Partnerschaft kann durchaus kritisch sein. Der Partner ist schließlich ein anderer Mensch geworden, genauso, wie die Mutterschaft auch einen selbst verändert hat. Hier stellen sich manche Paare die Frage, ob sie als Paar weiter machen wollen, oder als Eltern. Diese Frage muss noch nicht einmal bewusst sein. Aber die Weichen stellen sich.

Du kannst diese Zeit als Chance sehen sich als Paar wieder neu zu finden und im Rahmen der neuen Möglichkeiten das Beste aus der Partnerschaft zu machen. Nicht mehr nur noch Eltern kein Paar mehr sein.

Jede erfolgreiche und lange Paarbeziehung bedarf immer wieder der erneuten Entscheidung für den Partner und überdies hinaus ein stetiges Arbeiten an dem Bündnis. Und zwar nicht nur in Zeiten von Krisen, sondern auch (oder vielleicht gerade dann) in Zeiten der Harmonie.

Psychologische Übung für das Paar

Daher möchte ich eine sehr schöne Übung vorschlagen. Es geht dabei darum, sich neu kennenzulernen und neu zu entdecken. Und nicht nur noch Eltern kein Paar mehr zu sein. Dabei geht es um Wünsche, Vorlieben und Interessen im Jetzt und Hier und in der Zukunft. Gegenseitig werden sich Fragen gestellt.

Da es hier um die Wahrnehmung des Partners geht, gibt es auch kein richtig oder falsch.

Wenn zum Beispiel wahrgenommen wird, dass jetzt „alles andere wichtiger ist als ich“, dann entspricht das der Realität des Partners. Ein „das stimmt aber nicht!“ wird dies nicht ändern. Es ist dann vielmehr sinnvoll, die gegenseitigen Wahrnehmungen abzustimmen, nach den Gründen zu fragen oder daraus schließlich Handlungsoptionen (gemeinsam) abzuleiten.

Wertschätzung des Partners als Schlüssel zum Glück

Als kleine zusätzliche Aufgabe möchte ich noch eine Methode vorschlagen.

Um eine positive Grundstimmung zu schaffen, sollte dem Partner jeden Tag wertschätzend begegnet werden. Dies kann in Form eines Komplimentes oder einer liebevollen Geste geschehen, oder auch in einer anderen Art und Weise.

Über die Wichtigkeit von Wertschätzung habe ich ja schon einmal geschrieben. Bei dem eigenen Wunsch nach dieser wird häufig ganz vergessen, dass andere diese Wünsche auch haben. Und darüber hinaus ist ein liebevoller Umgang miteinander eine gute Basis für eine glückliche Partnerschaft.

Ein Beispiel aus der Praxis:

Ich habe meinen Partner tatsächlich noch einmal neu kennengelernt. Es wurde mir noch deutlicher, was ihm im Leben insgesamt und in der Partnerschaft im Speziellen wichtig ist. Auch mir persönlich wurde noch einmal klarer, was ich mir überhaupt wünsche oder warum ich eigentlich manchmal unzufrieden war.

Trennung als Lösung für die Eltern?

In manchen Fällen zeigt es sich jedoch auch, dass eine Weiterführung der Partnerschaft nicht die beste Option ist. Wenn man nur noch Eltern kein Paar mehr ist.

Unter der Extrembelastung kristallisieren sich die Schwächen einer Beziehung oft noch mehr heraus. Unterschiedliche Wünsche und Ansprüche können dann ein Paar auseinanderziehen.

Ein Versuch, die Beziehung neu zu gestalten ist fast immer eine gute Idee, auch hierfür kann die hier beschriebene Übung hilfreich sein. Außerdem kann professionelle Hilfe herangezogen werden, wenn man eventuell schon so verstrickt ist, dass man sich alleine nicht frei genug machen kann, um die Beziehung konstruktiv zu überdenken.

Eine Paarberatung kann noch einmal Impulse geben, um sich wieder annähern zu können.

Trennung als Lösung für die Eltern?

Wer dann schlussendlich doch zu dem Ergebnis kommt, dass eine Trennung das Beste ist, der wagt einen mutigen Schritt. Viele Dinge sind dann zu klären und festzulegen.

Für eine Familie ist es nicht ideal, nur wegen der Kinder zusammen zu bleiben. Kinder haben feinste Sensoren und spüren Streitigkeiten oder Frustrationen schneller als wir Erwachsene.

Aber es ist auch keine Traumvorstellung, in einer unglücklichen Beziehung zu verweilen.

In so einer Situation gibt es Hilfe und Unterstützung, zum Beispiel bei niedergelassenen Kollegen, Beratungsstellen oder dem Jugendamt. Und Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn man alleine nicht weiterkommt, ist eine Stärke und keine Schwäche.